Der Auftakt im Flughafen Tempelhof – nur sechs Vorstellungen in zwei Wochen! In den kommenden Spielzeiten steht jeweils zum Spielzeitbeginn eine große Produktion an einem ungewöhnlichen Ort in der Stadt auf dem Spielplan der Komischen Oper Berlin. Erste Station: Flughafen Tempelhof, Hangar 1. Erstes Werk: Hans Werner Henzes überwältigende Menschlichkeitsbefragung Das Floß der Medusa in der Regie von Tobias Kratzer.
154 Menschen treiben auf hoher See einer ungewissen Zukunft entgegen. Kaum Platz und zu wenig Nahrung bietet das dürftige Floß der havarierten »Medusa«. Um sich selbst zu retten, haben die Offiziere und Kommandanten auf dem seetauglicheren Rettungsboot das Tau zum Floß längst gekappt. Unter den Verratenen und Unterdrückten bricht der Kampf ums nackte Überleben aus.
1816 lief das französische Schiff »Medusa« auf eine Sandbank vor der Küste Senegals auf. Nur wenige Menschen konnten sich retten und zwar auf unsagbare Weise. Der französische Maler Théodore Géricault hielt das Ereignis in einem eindrücklichen Gemälde fest, das bei seiner Ausstellung im Pariser Salon 1819 für einen Skandal sorgte, der bis heute nachhallt.
Wie das Gemälde von 1816 hat das musikdramatische Werk seit seiner Uraufführung 1968 nichts an Sprengkraft verloren. Hans Werner Henzes Oratorium ist ein musikalisches Bekenntnis gegen die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Seine klanglich aufgewühlte Komposition zeigt das Unrecht hochdramatisch und drastisch: Ein Meilenstein des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts, im Glauben daran, dass Wegsehen keine Lösung ist. Regisseur Tobias Kratzer kehrt mit Das Floß der Medusa an die Komische Oper Berlin zurück. In dieser neuen Inszenierung findet er kraftvolle Bilder im Verweis auf Théodore Géricaults Gemälde. Kratzer und musikalischer Leiter Titus Engel legen so den humanistischen Kern von Henzes gedankentiefer Vertonung dieses brutalen Falls der Klassenherrschaft frei und übertragen ihn in einer bildgewaltigen Inszenierung auf die riesige Halle des Hangar 1.