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777 / Die Sie­ben Todsünden

Ein Musikdrama nach Adalbert Goldschmidt

29.–30. November

29.11. 19:00 Premiere
30.11. 18:00
Volksbühne

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Mit Sophie Rois als Fürs­tin der Fins­ter­nis, den Chö­ren der Sing-Aka­de­mie zu Ber­lin und der Kam­mer­sym­pho­nie Berlin

Ich weiß aus Erfah­rung, es ermü­det, sich in der Welt der Toten auf­zu­hal­ten. Es scheint, dass tot zu sein schreck­lich ist, weil dann die Aus­sicht auf eine Zukunft fehlt. Sind wir in die­ser Hin­sicht etwa bereits alle längst tot?
Zum ers­ten Mal seit 1876 erklingt Jacob Adal­bert Rit­ter von Gold­schmidts alle­go­ri­sches Musik­dra­ma DIE SIE­BEN TOD­SÜN­DEN für Soli, Chor und Orches­ter wie­der in Ber­lin. Das Mons­ter­werk war bei der Urauf­füh­rung in den Ber­li­ner Reichs­hal­len (Leip­zi­ger Stra­ße) ein Sen­sa­ti­ons­er­folg. Sophie Rois (als Fürs­tin der Fins­ter­nis), das Ensem­ble der Volks­büh­ne und die Chö­re der Sing-Aka­de­mie zu Ber­lin machen sich gemein­sam mit Regis­seur Chris­ti­an Filips dar­an, das ver­ges­se­ne Musik­dra­ma wie­der­zu­ent­de­cken. Dabei wird sich zei­gen: Die Geis­ter, die 1876 durch das legen­dä­re Wie­ner Kaf­fee­haus Grö­ßen­wahn spuk­ten, haben nicht auf­ge­hört, uns heim­zu­su­chen. Denn wir leben in einer Zeit his­to­ri­scher Geis­ter und Wiedergänger.
In gewal­ti­gen Tableaus mit Soli, Chor und Orches­ter voll­brin­gen in die­sem Musik­dra­ma die Dämo­nen der sie­ben Tod­sün­den ihr Ver­nich­tungs­werk und zei­gen auf ihrer Fahrt durch das Pan­op­ti­kum des Pra­ters, wor­an das Abend­land zugrun­de gehen wird: an Natio­na­lis­mus und Kriegs­lust, Anti­se­mi­tis­mus und Kolo­nia­lis­mus, Bör­sen­rausch und  Mecha­ni­sie­rung, kapi­ta­lis­ti­schem Exzess und nar­ziss­ti­scher Selbstoptimierung.
Wer kann die­sen Vor­gang auf­hal­ten? Der Dich­ter­kom­po­nist war sich sicher: die Kunst.
Doch dage­gen for­mier­te sich poli­ti­scher Wider­stand: Aus­ge­rech­net ein jüdi­scher Kom­po­nist und Sohn aus dem Wie­ner Haus Roth­schild-Gold­schmidt soll­te die Nach­fol­ge Richard Wag­ners antre­ten und zum Pro­phe­ten der Moder­ne werden?
Das wuss­ten die Anti­se­mi­ten, die sich um 1880 in Wien erst­mals als poli­ti­sche Par­tei for­mier­ten, erfolg­reich zu ver­hin­dern. Gold­schmidt starb 1906 ver­armt und unbe­kannt in einem Sana­to­ri­um. Kei­nes sei­ner gro­ßen Wer­ke wur­de seit­her wie­der aufgeführt.
Ob es an der Zeit ist, die­sen Sün­den­bock der Musik­ge­schich­te von sei­nem Fluch zu befrei­en?  „Die Tod­sün­den sind ein ein­zi­ger Strom, der über und unter der Mensch­heit rollt und sie mit­reißt in sei­nem Fort­schritt.“ (Vilém Flusser).